Der Ablauf der mikroskopischen minimalinvasiven Wurzelspitzenresektion(= WSR)
Grundsätzlich ist zu sagen, dass häufig vorbereitend im Zusammenhang mit einer WSR die zuvor durchgeführte Wurzelkanalfüllung erneuert werden muss.
Der chirurgische Eingriff findet in folgenden Schritten statt:
- Freilegung der Wurzelspitze
Im ersten Schritt wird nach einer Anästhesie die Mundschleimhaut über der Wurzelspitze gelöst und angehoben, um den Knochen über der Wurzelspitze freizulegen. - Das Entzündungsgewebe wird entfernt und der Bereich um die Wurzelspitze gesäubert.
- Die Wurzelspitze wird um 3 mm gekürzt. Damit werden die nahe der Wurzelspitze besonders häufigen und prognostisch problematischen Kanal-Verzweigungen reduziert. Zugleich entsteht dabei ein Plateau, auf dem die Wurzelkanalfüllung gut angebracht werden kann.
- Die Ursache des vorangegangenen Behandlungsmisserfolgs muss erkannt werden, wie z.B. zuvor nicht erkannte Kanäle oder Isthmen zwischen mehreren Kanälen.
- Sollte eine Längsfraktur gefunden werden, ist der Zahn so nicht erhaltungsfähig, weil sich unausweichlich im Bruchspalt eine schmerzhafte massive Infektion entwickeln wird. Mehr siehe Längsrisse/Längsfraktur
Die Behandlung muss sich ändern: Bei dreiwurzligen Zähnen wird in günstiger Konstellation die betroffene Wurzel entfernt. Mehr siehe Mikrochirurgie/ Wurzelamputation
In allen anderen Fällen muss der ganze Zahn baldmöglichst entfernt werden. - Reinigung des Wurzelkanals
Mit grazilen Ultraschallspitzen wird der Wurzelkanal von der Wurzelspitze her aufbereitet und gereinigt. Für eine schonende und sichere Durchführung, besonders im Sinne einer zielsicheren und vollständigen Reinigung unter Einbeziehung aller Unregelmäßigkeiten des Kanalquerschnitts von der Wurzelspitze aus, sind grazile Spezialinstrumente wie z.B. feine Ultraschallspitzen und Sonden erforderlich. - Wurzelkanalfüllung
Zur Füllung der Wurzelkanäle sind feinste Füllspatel und Stopfer notwendig. Das bei uns verwandte MTA ist seit 20 Jahren verfügbar und aufgrund der seit 10 Jahren wissenschaftlich belegten hohen Erfolgsquoten die erste Wahl. Es ist gewebeverträglich, sehr gut bakteriendicht, dauerhaft und gut härtend. Der Knochen wächst gern an MTA heran und bildet regelmäßig einen neuen Parodontalspalt. - Wundverschluss
Das Wundgebiet wird mit haarfeinen Nähten verschlossen. Das Ergebnis wird mit einem Röntgenbild überprüft. - Heilung
Bei erfolgreicher Behandlung heilt der Knochendefekt nach einem Zeitraum von mehreren Monaten. - Nachkontrolle
Das Heilungsergebnis wird mit Röntgenbildern in regelmäßigen Abständen kontrolliert.
Fallbeispiel 1 - mikroskopische Wurzelspitzenresektion an Zahn 13
58 Jahre alter Mann. Zustand mit immer noch andauernden Schmerzen nach 15 (!) Behandlungsterminen bei drei Behandlern - alle ohne Kofferdam und ohne gründliche desinfizierende Spülung. Der Patient litt täglich an Schmerzen hatte seit vier Monaten keine Nacht mehr durchgeschlafen.
Das Röntgenbild zeigt eine undichte Füllung (gelber Pfeil) und eine im gesamten Verlauf undichte (rote Pfeile) Wurzelfüllung. Der Spalt neben der Wurzelfüllung ist kenntlich an der feinen dunkleren Linie neben der Wurzelfüllung.
Im Foto fallen nach Anfärben die undichten Füllungsränder auf. (Gelbe Pfeile).
Beim Tasten schmerzt der Bereich über der Wurzelspitze. Das Kauen und das Klopfen auf die Zahnkrone sind schmerzhaft. Die Karies wurde entfernt, die Füllung wurde erneuert.
Es folgte die Revision der Wurzelfüllung
20-fache Vergrößerung: Aus Leckstellen in und neben der Wurzelfüllung quillt Eiter hoch (Pfeile).
Die Wurzelfüllung wurde entfernt. Zahlreiche Verunreinigungen sind darauf sichtbar. In drei Terminen - stets mit Kofferdam - wurde intensiv spülend desinfiziert. Eine neue Wurzelfüllung wurde eingebracht.
Röntgenkontrolle der neuen Wurzelfüllung. Der Zahn hat 36 mm Länge - ungewöhnlich viel. Die längsten im Handel verfügbaren Instrumente weisen 31 mm Länge auf.
Die Schmerzen wurden weniger, es blieb jedoch ein ständiger Restschmerz.
Aufgrund u.a. technischer Schwierigkeiten mit der ungewöhnlich großen Zahnlänge von 36 mm konnte die verbliebene, inzwischen fest etablierte, Keimbesiedlung am Kanalende bei der Revision nicht vollständig entfernt werden. Die spezielle Geometrie verhinderte in diesem Fall, so weit entfernt vom Kanaleingang alle natürlichen und versehentlich von vorbehandelnden Zahnärzten erzeugten Unregelmäßigkeiten der Kanalwandoberflächen reinigen zu können.
Eine nochmalige Revision lehnte der Patient ab - verständlicherweise. So fiel die Entscheidung zur Wurzelspitzenresektion (=WSR)
Der Blick fällt über den 3 mm schmalen Mikrospiegel auf die Trennfläche der bereits gekürzten Wurzel.
Stärkere Vergrößerung: Der rosafarbene Stift aus Guttapercha sollte eigentlich mindestens 99% des Querschnitts ausfüllen - bei minimalem Anteil an Dichtungsmittel. Einer guten Abdichtung steht der hohe an Anteil an weißem Dichtungsmittel (=Sealer) entgegen. Es sind Spalten und ungefüllte Kanalanteile (rote Pfeile) sichtbar. Unten links (gelber Pfeil) befindet sich ein spitzwinkliger ungefüllter Winkel, eine sogenannte "Finne". Der violette Pfeil oben rechts weist auf altes, von der ersten Wurzelfüllung stammendes Füllmaterial. Dem Fortbestehen der Infektion stand somit auf dreifache Weise nichts entgegen.
Ein abgewinkelter sehr fein diamantierter Ultraschallansatz (gelber Pfeil) entfernt 3 mm tief die Wurzelfüllung und reinigt die Kanalwände einschließlich der Finne. Es entsteht unter ständigem Spülen mit isotonischer Kochsalzlösung die "retrograde Kavität" zur Aufnahme der neuen Abdichtung am Kanalende.
Beim Anfärben mit violetter Färbelösung werden noch ungereinigte Teilabschnitte (Pfeil) sichtbar. Eine Wurzel-Längsfraktur liegt nicht vor. Die Bruchlinie würde sich sonst ggf. anfärben.
Weitere Verunreinigungen (Pfeile) sind zu entfernen.
Die fertiggestellte Kavität: 3 mm tiefe senkrechte glatte Wände erlauben eine gute Abdichtung und eine sichere Verankerung der retrograden Wurzelfüllung.
Die retrograde Wurzelfüllung aus dem bioaktiven, hervorragend verträglichen und knochenfreundlichen MTA-Zement.
Ein letzter prüfender Blick vor dem Nahtverschluss. Etwa 5 mm Durchmesser weist die Zugangsöffnung zur Zahnwurzel auf. (grüner Pfeil).
Haarfeine Nähte halten das Gewebe sanft und sicher in der Ausgangsposition. Die Fäden bestehen aus einem hochglatten, Bakterien abweisenden Material und sorgen für einen keimdichten Verschluss.
Der Eingriff verlief in örtlicher Betäubung schmerzfrei. Nach der Behandlung hat der Patient die Wange gekühlt. Drei Tage lang hat er den Wundbereich nicht berührt und desinfizierend gespült. Der hartnäckige quälende Entzündungsschmerz war sofort nach der Operation verschwunden und trat nicht mehr auf. Schmerzmittel war nicht mehr erforderlich.
Nach fünf Tagen wurden die Nähte entfernt.
Röntgenkontrolle unmittelbar nach WSR: Zu sehen sind eine glatte, saubere Trennstelle und eine saubere Knochenhöhle ohne Rückstände von Fremdmaterial oder Wurzelresten. Die retrograde Füllung verschließt exakt die präparierte Kavität mit einer soliden Schicht-Dicke, die durch die beiden grünen Pfeile markiert wird. Die violetten Pfeile markieren den Umriss der Zugangsöffnung im Knochen.
Verlaufskontrolle nach zwei Jahren:
- Der Knochendefekt ist vollständig mit neuem Knochen aufgefüllt.
- Der Knochen liegt spaltfrei direkt auf der Trennstelle der Wurzel und auf dem MTA-Zement auf.
- Die retrograde Wurzelfüllung ist unverändert vollständig und dicht.
- Der Zahn ist voll belastbar und schmerzfrei.
- Eine Druckempfindlichkeit im ehemaligen OP-Bereich besteht nicht.
Drei Jahre nach WSR:
- Das Zahnfleisch liegt straff, blass und entzündungsfrei an den Zahnoberflächen an.
- Narben, Durchblutungsstörungen oder Zahnfleischrückgänge liegen nicht vor.
- Die Mundhygiene ist sehr gut.
- Zahn 13 ist schmerzfrei und voll belastbar.
Der Patient ist glücklich mit seinem Zahn 13 (Pfeil).
Fallbeispiel 2 an einem zweiwurzeligen Zahn 24
Blauer Pfeil: Die Kerbe im Zahnfleischsaum ist Folge eines ständig zu hohen Drucks bei der Zahnpflege. Es gibt hier keinen Zusammenhang mit dem akuten Problem.
34 Jahre alte Frau. Entzündliche Knochenläsion mit 5 mm Durchmesser (zwischen den roten Pfeilen) acht Jahre nach Wurzelbehandlung an Zahn 24. Druckschmerz über der Wurzelspitze und Schmerzen beim Kauen.
Eine Revision wäre zu riskant. Weil die beiden Wurzelstifte sehr lang und fest in den grazilen Wurzeln verankert sind, wäre eine Wurzelfraktur beim Entfernungsversuch wahrscheinlich.
Blick durchs Operations-Mikroskop bei 20-facher Vergrößerung nach Abtrennen der Wurzelspitzen.
- Die Blutstillung ist erfolgreich.
- Die Trennfläche ist rechtwinklig zur Wurzel-Längsachse und glatt.
- Das Wurzelprofil ist vollständig erkennbar und hat keine Risse.
- Gelber Pfeil: der wangenseitige Wurzelkanal ist hier unbehandelt und voller Bakterien.
- Orangener Pfeil: der gaumenseitige Wurzelkanal ist nur als winziger weißer Punkt sichtbar.
- Orangener Pfeil: der gaumenseitige Wurzelkanal ist nur als winziger weißer Punkt sichtbar. Dennoch stellt auch dieser zu 98% zugewachsene Kanal einen der Infektionswege dar und ist damit eine Ursache für die Knochenläsion. Beide Kanäle müssen aufbereitet und gefüllt werden.
- Beide Kanäle sind von der Rückseite substanzschonend präpariert und mit MTA-Zement abgedichtet. (Grüne Pfeile)
Der Nahtverschluss kann folgen.
Verlaufskontrolle:
Abfolge der Röntgenbilder bis 2 Jahre nach WSR. Die grünen Pfeile weisen auf die retrograden Wurzelfüllungen aus MTA-Zement. Zwischen den blauen Pfeilen war vor Behandlung der Entzündungsbezirk. Jetzt befindet sich hier wieder gewonnener normaler gesunder Knochen.
Im Vergleich der Röntgenbilder wird deutlich, wie wenig der Zahn gekürzt wurde.
Bliebe weniger als 3 mm Wurzellänge oberhalb des Wurzelstiftes übrig, wäre keine langfristig dichte retrograde Füllung mehr möglich.
2 Jahre nach WSR: Gesundes straffes Zahnfleisch ohne Narben. Die Spalte (blauer Pfeil) am Zahnfleischsaum ist im Vergleich zum Foto vor WSR unverändert.
Fallbeispiel 3 an einem dreiwurzeligen Zahn 26
49-jährige Frau. Röntgenbild des Vorbehandlers: Während bei der Kanalsuche nur einer von vier Kanälen gefunden wurde, war es zu einer ca 2,5 mm großen Durchbohrung der Zahnwand (= Perforation, roter Kreis im Röntgenbild und im mikroskopischen Foto) gekommen. Der Vorbehandler empfahl, den Zahn zu entfernen. Die Patientin entschied sich für eine Revision der Wurzelbehandlung durch unser Team. Dabei erfolgte zur Freilegung der tiefen Karies auch eine Kronenverlängerung und der Perforationsverschluss.
Die Revision war fachgerecht mit Kofferdam, Operations-Mikroskop und gründlicher spülender Desinfektion vor der Wurzelfüllung in drei Kanälen durchgeführt worden.
Grün umkreist ist der Perforationsverschluss. Zwei rosafarbene Wurzelfüllungen aus Guttapercha sind erkennbar. Die dritte Wurzelfüllung ist hinter der Zahnwand verdeckt in Richtung des grünen Pfeils.
Ein vierter Wurzelkanal (orangener Pfeil, im Röntgenbild nicht sichtbar) war fast vollständig mit Hartsubstanz (weißer Punkt im Zentrum der Bohrung) verschlossen. Der gerade Teil konnte erschlossen und gefüllt werden, hinter der Kurve waren jedoch die letzten 5 mm des Kanals vom Kanaleingang her unerreichbar und blieben unbehandelt. Diesen Moment zeigt das Foto.
Die Patientin war hierüber im Verlauf der Behandlung aufgeklärt worden. Da keine Schmerzen und keine entzündliche Läsion bestanden, sollte einvernehmlich unter regelmäßigen Kontrollen abgewartet werden, ob sich eine WSR als notwendig erweisen würde.
Der Zahn erhielt aufgrund eines sehr großen Substanzdefektes zur Stabilisierung eine vollkeramische Krone
Das Röntgenbild sechs Monate nach Wurzelbehandlung zeigt eine neu entstandene entzündliche Knochenläsion (roter Kreis) von ca. 4 mm Durchmesser an der vorderen äußeren Wurzel. Hier besteht Druckschmerz. Die zweite und dritte Wurzel sind von gesundem Knochen umgeben.
Eine WSR war nun eindeutig erforderlich, und zwar nur an der betroffenen vorderen äußeren Wurzel.