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Endodontische Erstbehandlungen mit im Voraus erkennbaren besonderen Schwierigkeiten, z.B. Blockade (Obliteration), zusätzlichen Kanälen und/oder Wurzeln, C-förmigen Kanalprofilen

Schwierigkeiten sind im Voraus nur mit einer guten Röntgendiagnostik erkennbar. Auch ein DVT kann hier hilfreich sein. Ohne Mikroskop ist die Gefahr von Komplikationen wie Perforationen, Stufen, Instrumentenfrakturen und unnötigen Substanzverlusten stark erhöht.

Obliteration / Auffinden verborgener Wurzelkanäle

Als Reaktion auf äußere Reize wie Karies, Säuren, mechanische Irritation an Zahnhälsen u.v.m. bildet das Zahnmark schneller neues Zahnbein. Leider geschieht dies besonders an den oberen kronennahen Anteilen der Wurzelkanäle. Selbst für die feinsten Instrumente von 0,06 mm Durchmesser gibt es hier oft kein Durchkommen. Die nur 0,001 mm kleinen Bakterien aber gelangen dennoch von der Zahnkrone in die Kanäle und verursachen dort die Infektion.

Viel Erfahrung, sehr genaue Kenntnisse der Anatomie und der Zahnentwicklung, viel Ruhe und Geduld sowie ein erstklassiges Mikroskop ermöglichen auch in solchen Fällen eine korrekte Aufbereitung und somit hohe Erfolgschancen. Ähnlich den Jahresringen eines Baumes zeigt auch das Zahnbein im Mikroskop Farbunterschiede. Diese dienen zur Orientierung, um den Mikrobohrer sicher in die Tiefe zum ursprünglichen Kanal führen zu können.
 

Fallbeispiel Obliteration 1:
Zahn 11 mit Unfallfolgen

53-Jährige Patientin mit kariesfreiem Gebiss. Mit 11 Jahren stürzte sie die Treppe hinauf und fiel auf ihren rechten oberen mittleren Schneidezahn. Äußerlich war kein Schaden sichtbar. Seinerzeit erfolgte keine Behandlung. Über 40 Jahre später traten Schmerzen unter der Nase auf, ein sehr unangenehmes bohrendes Druckgefühl, das mehrere Monate anhielt. Mehrere befragte Zahnärzte zeigten sich ratlos.

Bei eingehender Untersuchung zeigt der Zahn eine deutliche gelbliche Verfärbung. Ein Riss (Gelber Pfeil) erstreckt sich vertikal in der Mitte der Zahnkrone. Im Röntgenbild ist - völlig abweichend vom normalen Bild - kein Wurzelkanal sichtbar. Die Wurzel ist durch und durch massiv. Über der Wurzelspitze ist im Knochen ein Entzündungsbezirk von etwa 4 mm Durchmesser (orangene Pfeile).

Die Suchbohrung zum Auffinden des Wurzelkanals erfolgt ohne Kofferdam, um die anatomischen Merkmale des Zahnes einschließlich der tastbaren Wurzelkontur jederzeit bei der Ausrichtung des Bohrers zur Orientierung nutzen zu können. Der simultane Abgleich der direkten Sicht von vorn und der seitlichen Blickrichtung im Spiegel verbessert ebenfalls die Orientierung des Bohrers in der Zahnachse.

Bei einem normal entwickelten Schneidezahn erreicht der Bohrer bei 3 bis 4 mm Bohrtiefe die Pulpakammer. Von da an ist der weitere Weg im Normalfall sicher zu ertasten. Hier aber beträgt die Bohrtiefe bereits 13 mm. Die weiße Färbung im Zentrum der Bohrung stammt vom unfallbedingt in veränderter Feinstruktur gebildeten Zahnbein. Die Färbung zeigt an, dass die Richtung korrekt eingehalten wurde. Das zeitgleich angefertigte Röntgenbild bestätigt die korrekte Richtung der Bohrung.

Wie schon zuvor wurde nach jedem halben Millimeter Fortschritt der Bohrung intensiv gespült, um Späne vollständig zu entfernen und mit dem Mikroskop die Feinstruktur des Dentins zur weiteren Orientierung zu nutzen. In 18 Millimeter (!) Tiefe wurde schließlich der ursprüngliche natürliche Wurzelkanal gefunden (gelber Pfeil). Sein Durchmesser betrug gerade einmal 0,06 mm. Die elektrische Längenmessung ergab eine Gesamtlänge des Zahnes von 21,8 mm, die sich im Röntgenbild bestätigte. Somit blieben zur Aufbereitung ganze 3,8 mm Restkanal-Länge. Die weitere Behandlung entsprach der üblichen Vorgehensweise.


Fallbeispiel Obliteration 2:
Zahn 16 (erster oberer großer Backenzahn rechts) mit obliterierten (= zugewachsenen) Kanälen

0,1mm dünne Silberstifte, elektrisch eingemessen und exakt am Kanalende positioniert, dienen als Röntgenkontrast bei der Röntgenmessaufnahme. Nachdem das Röntgenbild die korrekte Arbeitslänge in allen Kanälen bestätigt hat, erfolgt die weitere Behandlung mit der üblichen Routine.

Röntgenkontrolle im Dezember 2020, 11 Monate nach Wurzelbehandlung an Zahn 14:

Der Entzündungsherd an Zahn 14 ist ausgeheilt, wie schon zuvor die anderen Entzündungsherde bei 15,16 und 17. Alle vier wurzelbehandelten Zähne sind beschwerdefrei und voll belastbar.

Die fünf Kronen 14,15,16,17 und 18 sind acht Jahre nach der Herstellung weiterhin dicht und funktionsfähig. Nach den Wurzelbehandlungen wurden jeweils adhäsive Aufbauten in die Kronen integriert. Siehe Basis für den Zahnerhalt – Erhalt einer guten Krone.


Fallbeispiel 3

Erschließen atypischer Anatomien wie zusätzlicher Kanäle oder zusätzlicher Wurzeln

Zähne warten oft mit Überraschungen auf: Es gibt untere kleine Backenzähne (Prämolaren) mit zwei oder drei Wurzeln und Kanälen. An den unteren großen Backenzähnen (Molaren) gibt es gelegentlich eine dritte Wurzel (Radix entomolaris). An unteren Molaren fanden wir in unserer Praxis auch schon bis zu maximal 6 Kanäle. Obere Prämolaren kommen mit drei Wurzeln vor und obere Molaren kommen auch mit bis zu vier Wurzeln und bis zu 7 Kanälen vor.

Unsere Behandlungsgrundsätze sind aber immer so wie bei jeder Wurzelbehandlung: Das notwendige Operationsmikroskop, Gelassenheit und Geduld sind die wichtigsten Begleiter zum Auffinden der Kanäle und damit zum Behandlungserfolg.


Fallbeispiel 4


Fallbeispiel 5


C-förmige Kanalprofile

Ein C-förmiges Kanalprofil kann man mit einer Sichel vergleichen. Eine runde Feile kann hier bei der Aufbereitung wenig bewirken. Das Instrumentarium und das Spülkonzept sind bei uns aber selbst auf derartige Besonderheiten abgestimmt.

Fallbeispiel C-förmiges Kanalsystem

Bei einer gründlichen Erstuntersuchung wurde Zahn 34 auffällig durch den negativen Kältetest. 35 und 36 reagieren ebenso negativ.

Die übliche Aufbereitung mit rotierenden Instrumenten hätte weniger als 10% der Kanalwandflächen erreichen können. Zum Einsatz kamen hier individuell vorgebogene sehr schlanke Ultraschallansätze zur einmaligen Anwendung. Unter ständiger Sichtkontrolle mit dem Mikroskop wurden alle Wandanteile substanzschonend bearbeitet.